Wir sind alle gleich?! Über das Recht als Herrschaftsinstrument

Datum/Zeit
Mittwoch - 02.06.2021
19:00 - 21:00

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Eintritt: Eintritt frei

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Vortrag und Diskussion mit Daria Bayer
Im juristischen Studium wird oft geleert, dass das Recht ein „neutrales“ Medium zur Regelung von Streitigkeiten sei. Diese Aussage stimmt in solcher Pauschalität nicht. Im Gegenteil: Recht und Politik stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Recht existiert nicht im isolierten Raum, ist nicht einfach da. Recht, verstanden als positives Recht, wird immer von Menschen zu einem bestimmten Zweck gesetzt. Dieser Zweck kann zwar auch kollektiven Interessen oder dem Schutz bestimmter marginalisierter Gruppen dienen – für letztere Funktion des Rechts besitzt der rechtliche Gleichheitssatz eine bislang alternativlose Bedeutung. Allerdings, und hierauf weist die materialistische Rechtstheorie ganz zentral hin, ist dies nur eine Seite der Medaille. Denn Recht, gerade in Form von subjektiven (Vermögens-)Rechten, dient in einem marktwirtschaftlich orientierten System auch immer den Profitinteressen der besitzenden Klasse.
Die Form des Rechts und damit insbesondere der formale Gleichheitssatz sind, wie das der sowjetische Rechtstheoretiker Jewgenij B. Paschukanis in seinem 1924 erschienene Buch „Allgemeine Rechtslehre und Marxismus“ herausgestellt hat, untrennbar mit dem warenförmigen Tausch von Gütern in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft verbunden. Formale Gleichheit im Recht bedeutet daher nicht auch unbedingt materielle, wirkliche Gleichheit. Vielmehr hilft der Gleichheitssatz, das kapitalistische System zu stabilisieren und damit die Herrschaft des Kapitals zu sichern. Auf diese Funktion von Recht und Staat als Instrumente zur Herrschaftssicherung will die materialistische Rechtstheorie, deren Grundlagen in diesem Vortrag vorgestellt werden, aufmerksam machen.
Daria Bayer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Universität Hamburg und beschäftigt sich unter anderem mit einer materialistischen Theorie des Rechts. Sie promovierte zum marxistischen Rechtsphilosophen Jewgeni Paschukanis in dessen Kontext sie Wissenschaft und Kunst in Form eines Theaterstücks – „Jewgenij. Tragödie des Rechts“ – verband.
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Dieser Vortrag ist Teil einer Veranstaltungsreihe zu struktureller Geschlechterungleichheit innerhalb des Rechtssystems, dem mit kritisch-juristischen und feministischen Perspektiven begegnet werden soll. Sie richtet sich sowohl an (angehende) Jurist:innen als auch an fachfremde Interessierte. Alle Veranstaltungen finden online statt und sind kostenfrei zugänglich.