Halblang im Doppelpack: Legale Schweizer Drogen

Datum/Zeit
Donnerstag - 31.08.2017
20:30

Veranstaltungsort
Kino im Sprengel

Kategorien:

Eintritt: keine Angabe

Erreichbarkeit mit dem Rollstuhl:

Toiletten, ggf. Umkleideräume:

Kontakt: keine Angabe



Auch in der Schweiz blühte zwischen Mitte der sechziger und den frühen siebziger Jahren eine Experimentalfilmszene. Filmemacher wie Savoldelli oder Thévoz bilden den missing link zwischen dem  Wohlfühlkino der Nachkriegszeit und dem Neuen Schweizer Film der siebziger Jahre mit seiner sozialkritischen Realitätsfixierung. Die beiden wieder zu entdeckenden Filme bieten einen erstaunlichen Blick auf die Schweiz in einem Jahrzehnt des Umbruchs. Sie sind durchweht vom Hauch der Beat- und Hippiekultur, die sich früh auszuprägen begann, und deren anarchischer Lust am Versuch, die nach 1968 nur allzuoft dem Weltrevolutionspathos und der Dogmatismus weichen musste.

– LYDIA
von Reto Savoldelli, Schweiz 1968, 47 min., digital
Musik: Mothers Of Invention, Cream, Richard Wagner u.a.

LYDIA war 1968 ein Sensationserfolg auf den Solothurner Filmtagen und erzählt, wie ein langhaariger junger Exzentriker, gespielt von Savoldelli selbst, von Bellach nach Zürich reist. Er erkundet die Stadt, trifft Hippies am Seeufer, taucht ein in die Atmosphäre von Nachtbars und Partys und wird unversehens von alptraumhaften Gestalten verfolgt – aus Gründen, die sich in der lyrisch freien Erzählung mit ihren grellen Farben und rauschhaften Doppelbelichtungen nicht ganz erschliessen wollen. Ganz halluzinogener Weltschau verpflichtet, ist LYDIA, das Werk eines damals knapp zwanzigjährigen Gymnasiasten, eine wahrhaft selbstbewusste Geste, die solch grundverschiedenen Filmemachern wie Wim Wenders und Jean Marie Straub gleichermaßen imponierte.
„Der Anfang des Films, die ersten drei Minuten, enthielten alles, was ich normalerweise hasse am gegenwärtigen Kino. Aber plötzlich realisiert man, dass es darum gar nicht geht und dass man tatsächlich einen wunderschönen Film sieht. Savoldelli ist ein wirklicher Poet des Kinos. Mir wurde auf einmal klar, dass die filmischen Techniken, die er benutzt, nicht per se falsch sind – was ich zunächst vermutete – , sondern dass diese lediglich dadurch, wie sie gemeinhin verwendet werden, korrumpiert wurden. Auf einmal wird einem klar, dass man anfänglich falsch lag, und dass von nun an alles möglich ist.“ (Jean-Marie Straub)

– DER TROG – MIT ZWANZIG VERKÜMMERT (L’auge – Pourrir à vingt ans)
von Jacques Thévoz, Schweiz 1971, 38 min., digital; nach dem Stück „Der Napf“ von Jacques Probst

„Die Jugend will wissen, warum das Leben krank ist und was die Idee des Lebens verdorben hat.“ (Antonin Artaud)
Der Film sollte ursprünglich ein Dokumentarfilm über den damals zwanzigjährigen Dichters Jacques Probst werden, doch im Verlauf der Dreharbeiten lud er sich immer mehr mit Fiktion auf. Das Leben des getriebenen Dichters verquickt sich mit dessen erstem Stück „Der Napf“ zu einem rätselhaften, surrealistischen Werk, das die Verzweiflung eines morbiden Transvestiten verrät, der im Verlauf des Films 77 mal stirbt. Gleichzeitig lässt es die kulturelle Kluft erkennen, an der die damalige Jugend erstickte, während sie doch nach mehr Freiheit strebte. „Man muss epische Filme machen. Sich nicht an Mustern orientieren, sondern den Weg beschreiben. Die Suche von Probst ist die aller Heranwachsenden im Jahr 1972. Es ist das Vorrecht und die Pflicht der Dichter, im Namen aller zu sprechen. Und wenn der Weg durch das Gefängnis führt, dann deswegen, weil das Gefängnis existiert.“ (Michel Viala)
Thévoz hatte für diesen Film vom Bundesamt für Kultur Förderung erhalten. Da der Film nicht dem eingereichten Drehbuch entsprach, wurde das Geld zurückgefordert. Thévoz’ Einspruch wurde abgelehnt, und da das Geld bereits für den Film ausgegeben worden war, konnte er es nie zurückzahlen. Das verursachte einen Bruch in der Karriere des Filmemachers, der seitdem keine öffentliche Förderung mehr erhalten konnte.

Jacques Thévoz (1918-1983) lernte zunächst den Beruf des Sattlers. Nebenbei fotografierte er, schrieb auch über Fotographie und kam so zum Journalismus und schließlich zum Fernsehen. Er wurde Kameramann und reiste als Kamera-Reporter durch Europa, den Mittleren Orient, Asien und Afrika. Schließlich begann er eigene Dokumentarfilme zu drehen. 1983 nahm er sich in Genf das Leben.

Mit freundlicher Unterstützung durch das Kulturbüro der Stadt Hannover

Herzlichen Dank an Reto Savoldelli sowie an Eliane Laubscher und die Association des Amies et des Amis de Jacques Thévoz

Eintritt 5 Euro, HannoverAktivPass 2,50 Euro